Am 28.12.1911, so ist es einem Eintrag der Pfarrchronik von Teuschnitz zu entnehmen, wurde unter dem Dache unter verschiedenen alten Schriften ein Kästchen von Blech gefunden, verschnürt und
versiegelt. Das Siegel ist das erzbischöfliche Wappen. Auf dem Deckel des Blechkästchens ist „Josephi“ eingeschnitten. In die Verschnürung am Boden des Kästchens war folgendes Blatt
eingeschoben:
„Diese Kapelle wurde gebaut
im Jahre 1824 von der Neubauerischen
Familie. Also Joh: Görg Neubauer, Barbara
Neubauer und Franz Neubauer.
Eingeweiht zum Gottes Dienst den
17 ten Dezember 1836 von dem Herrn
Pfarrer Gg. Greim zu Teuschnitz“
Franz Neubauer
Reichenbach den 27 ten Dezember 1836
Maurer Johann Nögel
Schreiner Joh: Hoderlein
In dem Kästchen befand sich ein Pergament mit folgender Inschrift:
MDCCVI am 25. Des Monats Juni. Ich Johannes Werner, Suf-
fragan-Bischof von Bamberg, ausgezeichnet mit den Insignien des Cole-
gium St. Stefan zu Bamberg, als Denkan, habe den Altar hier gweiht zu
Ehren des Hl. Joseph und der Reliquien der Hl. Märtyrer Calisutus, Felix
und des Hl. Anibal in Gedächtnis aller Heiligen und aller Christgläubi-
gen. In diesem Jahr und am Jahrtag der Weihe gestehe ich zu allen
Besuchern, eine vierzigtägige Vergebung durch die Hl. Kirche.
2. Drei papierpäckchen mit den Aufschriften
St. Anibal, Märtyrer
Reliquien des Hl. Calistus, Märtyrer
und Felix, Märtyrer
3. Drei große Weihrauchkörner
Feldkapelle St. Mariae, auch "Neubauerskapelle" genannt.
Wer in früheren Zeiten in das Nachbardorf Haßlach oder in die Stadt Teuschnitz gehen oder fahren wollte, nahm für gewöhnlich den Weg aus dem unterem Dorf bei Haus Nr. 5, jetzt Brunnenstr. 26,
über die „alt Teuschnitzer Straß“, jetzt sinnigerweise Kapellenstraße genannt. Das Straßlein führte beim „Thomabauern“ genau westwärts aus der Ortschaft, verlief zuerst ziemlich eben und stieg
dann etwa auf halbem Weg bis zur Straßenkreuzung Teuschnitz/Haßlach an.
Die Feldkapelle „Sankt Mariae“ wurde im Jahre 1824 von der Familie des Zapfenwirtes Johann Georg Neubauer zu Reichenbach Nr. 40 dem Maurer Johann Nögel und dem Schreiner Johann Hoderlein zur
Erbauung in Auftrag gegeben.
Anno 1826 scheint der Kapellenbau soweit fertig gewesen zu sein, daß man auch den Schlußstein mit den Initialien des Stifters und der Jahreszahl der Bauvollendung in den Türsturz einsetzen
konnte.
Es ist nicht überliefert, weshalb der Pfarrer von Teuschnitz, Georg Greim, erst zehn Jahre später am 3. Weihnachtsfeiertag, am 27. Dezember 1836, die Feldkapelle zu Ehren der hl. Gottesmutter
Maria eingeweiht hat. Es hat bestimmt allerlei Umstände und Widerwärtigkeiten zu überwinden gekostet, mitten im Winter bei einem Gottesdienst der Kapelle die kirchliche Weihe zu geben.
Die „Neubauerische Familie“ muß eine betuchte Familie gewesen sein, denn nur solche Leute konnten es sich leisten, in den Türsturz der Haustüre ihres Anwesen, oder in dessen der Kapelle, einen
Scheitelstein mit den Initialien und dem Gründungsjahr einsetzen zu lassen.
„Die Neubauerische Familie“, die dem Maurer Nögel und dem Schreiner Hoderlein die Erbauung der Feldkapelle in Auftrag gegeben hatte, scheint die Fertigstellung des „kleinen Gotteshauses“ mit
einer weltlichen Feier erlebt zu haben. Trotz der frommen Meinung der Stifterfamilie und ihrer Verewigung im Namen „Neubauerische Kapelle“ und dem Einbau im Türsturz in Form eines Schluß- oder
Scheitelsteines J(ohann) G(örg) N(eu)B(auer) erfuhr die Kapelle schon kurze Zeit später einen Besitzerwechsel.
Im Jahre 1838 erschien folgende Bekanntmachung aus dem Königlichen Bayerischen Intelligenzblatt für den Kreis Oberfranken
Königliches Bayerisches
Intelligenzblatt
für
Oberfranken
Bekanntmachung
öffentlicher Behörden verschiedener Betreffs, laufendes Jahr Nro. 97,
Bayreuth, Dienstag am 14. August 1838.
Die zur Gantmasse des Wirths Franz Neubauer von Reichenbach
gehörigen Realitäten, als: eine massiv erbaute und eingeweihte
Capelle mit zwei Thürmchen, oberhalb des Dorfes Reichenbach gele-
gen 3 ¼ Tagwerk, die obere Tennigwiese, B.-Nr. 60 b, 1 1/8 Tag-
werk, Feld, der obere Steinacker, B-Nr. 60 g, im Steuerdistrikte Rei-
chenbach gelegen, werden am Freitag, den 31. August laufenden Jah-
res, vormittags 9 Uhr, zum drittenmal dem öffentlichen Verkaufe
dahier ausgesetzt.
Es scheint niemand im Dorf große Lust aufgebracht zu haben, die „Neubauerische Familiencapelle“ zu erwerben. Sie stand ja nicht einmal im Ort, mußte unterhalten und versorgt werden.
Das Bauerngut und die Zapfenwirtschaft in Reichenbach Nr. 40 gingen durch das Aussterben der Familie Neubauer in den Besitz der Familie Apollonius Schnappauf, genannt „Äpperla“ über. Wohl auch
die Kapelle.
Der Unterbau der Neubauerskappele ist massiv errichtet. Das Dach, ein nach Westen sich neigendes Satteldach, Giebel und Türmchen sind verschiefert. Die Steinmauern deuten auf die Wohlhabenheit im
Sinne des Stifters hin.
Durch die vergitterten Scheiben der Holztür kann nur spärlich das Licht in den Innenraum eindringen, denn die beiden stichbogigen Seitenfenster sind durch Fensterläden verschlossen.
Unbeschadet hat sich der marmorierte Holzaltar erhalten, der, dem 18. Jahrhundert nachempfunden, vermutlich im 19. Jahrhundert gebaut wurde. Vergoldete Rocaillen verzieren den geschwungenen
profilierten Altaraufbau, der kurz unterhalb der geputzten Tonnendecke endet. Schräg gestellte Vorlagen und korinthische Vollsäulen flankieren eine baldachinbekrönte leere Nische. Vermutlich
stand hier einst eine Statue der hl. Maria, der Patronin der Kapelle. Bemerkenswert ist auch ein kleines handwerkliches Kruzifix mit den Assistenzfiguren von Maria und Johannes Ev., das auf einer
fünffach gegliederten Konsole auf der Mensa steht. An den Wänden des Chorraumes liest man die Namen der gefallenen Soldaten beider Weltkriege.
Zur weiteren Ausstattung gehört ein Vortragskreuz des 18. Jahrhunderts, das an der rechten Seite neben dem Altar hängt. In einer Wandnische neben dem Vortragskreuz steht die Figur des hl. Josef.
In der gegenüberliegenden Nische befindet sich eine Lourdesgrotte. Zu beiden Seiten des Mittelganges sind fünf Bänke aufgestellt.
Bis 1970 führte einen Prozession aus Reichenbach hierher. Auch die Trauerzüge zum nahegelegenen Friedhof verweilten hier kurz im Gebet.
Innenraum der Kapelle (Aufnahmejahr 1964)
Im Jahre 1943 wurde an der kapelle eine größerer Restaurierung vollzogen. Dies ist einer handschriftlichen Aufzeichnung des damaligen Pfarrers Bremauer zu entnehmen (Abschrift vom
Original):
„Im Jahre des Herrn 1943, am 26.
Oktober, in Gottesschwerster Zeit,
im 5. Kriegsjahr des gewaltigsten aller
bisherigen Kriege, wird diese
Urkunde in eine der beiden kleinen
Kuppeln, die die Türmchen der
Kapelle krönen, eingelegt. Damit ist die
Außenresterwierung der alt-
ehrwürdigen Kapelle vollendet und ein
Zusammensturz des kleinen
Gotteshauses abgewendet worden. Lange
Vernachlässigung, Wind
und Wetter hatten ihr Äuseres erbärmlich
gemacht. Die Resterwie-
rung ist in allererster Linie zwei
Personen zu verdanken, Frau Kuni-
gunde Jako, Reichenbach 92, die in
wirklich unermüdlicher Tätig-
keit das nötige Interesse förderte, alle
möglichen großen und kleinen
Schwierigkeiten aus dem Wege zu räume n
und nicht geringe mate-
rielle Opfer brachte. Das gleiche muß
vom verdienten Pfleger der
Kirchenstiftung Reichenbach, Herrn Peter
Förtsch, Reichenbach 52,
lobend zu erwähnen, der trotz
kriegsbedingter anderweitiger Überla-
stung immer wieder helfend und fördernd
zur Seite stand. Jedes Werk
lobt den Meister: Die Restawierung des
Daches führte Herr Schiefer-
deckermeister Strubelt, Lehesten, durch, eine
Arbeit der er sich mit
wirklicher Liebe zur Kunst unterzog und die er
feinlich genau durch-
führte, erst nach ihm konnten die anderen
Handwerker beginnen.
Ihm zur Seite stand willig und treu Herr
Johann Erhardt, Reichenbach-
bach 58, als Handlanger vom ersten bis zum
letzten Tag. Als Maurer-
meister ist Herr Johann Schubert, Reichenbach
43, zu nennen, durch
dessen gütige Zusage die Pflichten- und
Innenreparatur der Wände
und Decke ermöglicht werden. Als Helfer sind
zu erwähnen Herr
Georg Rech, Reichenbach 41, und Erhard
Förtsch, Reichenbach 32,
die manche Fuhre leisteten, neben einer
gewissen Anzahl ungenann-
ter Helfer und Helferinnen, die selbstlos und
nützig ihren Betirag leis-
teten.
So möge die Kapelle stehen unter dem Schutze
der heiligen Gottes-
mutter, der sie wieder geweiht werden
soll.
Reichenbach, 26.10.1943
Bremauer, Pfr.
dessen Schrift durch Krankheit und Schreiben im Bett
etwas unleser-
lich ausfiel.
Melchior Rebhan und Paul Raab aus Teuschnitz versetzten dann Mitte der 70er Jahre u. a. den Innenraum wieder in einen würdigen Zustand, nachdem der Zahn der Zeit erneut an der Kapelle genagt
hatte.
Die unter Denkmalschutz stehende Kapelle befindet sich derzeit erneut in einem schlechten Zustand. Mit einer neuen Eindeckung des Daches durch die Firma Bär aus Reichenbach und der Erneuerung der
Eingangstüre durch Paul Hertel, Reichenbach, Brunnenstr. 8, wurden bereits Instandsetzungsmaßnahmen eingeleitet.
Im Jahr 1943 geschah noch etwas im Kapellenbereich, das wert genug ist, zu diesem Geschichtsthema festgehalten zu werden:
Frau Anna Schnappauf, geb. 3.11.1985, gest. 18.05.1979, Haus-Nr. 7 (Brunnenstr. 5) wohnhaft gewesen, legte an der Südseite der „Neubauerskapelle“ und noch im Bereich des Kapellengrundstückes
einen kleinen Heldenfriedhof an. Für jeden Gefallenen der Gemeinde Reichenbach der Kriegsjahre 1939 bis 1943 wurde ein kleiner Grabhügel aufgeworfen und mit einem Birkenkreuz besteckt. An das
Birkenkreuz hefteten die Angehörigen des fern der Heimat bestatteten Soldaten ein Namensschild mit den Geburts- und Sterbedaten.
Die Hinterbliebenen konnten sich der Pflege des Heldenfriedhofs nicht lange widmen. Die Kunde von der Anlage eines bescheidenen Gottesackers für gefallene Soldaten aus dem Dorf war bis nach
Kronach gedrungen und es wurde dem Bürgermeister von Reichenbach, Peter Förtsch, Reichenbach Nr. 84, befohlen, das „Friedhöflein“ sofort wieder einzuebnen.
Neben Frau Anna Schnappauf war Frau Kunigunde jakob, geb. 28.02.1913, wohn. Haus-Nr. 30 (Hauptstr. 38), eine weitere unermüdliche Helferin und Pflegerin des Kapellenareals.
Es ist nicht zu orten, warum die Kapelle ihren Standplatz so ganz außerhalb des Dorfes bekommen hat.
Ein einfacher Sandsteinblock hinter der Kapelle, vermutlich ein Gedächtnisstein, stellt die 12. Station des Kreuzweges Jesu Christi (Jesus stirbt am Kreuz) dar.
An der Hauswand (Straßenseite) des Gütleranwesens Reichenbach Nr. 4 (Baunsen) lehnte auch so eine und gänzlich vernachlässigte Sandsteinmarter. Ein Verdacht, daß es sich bei beiden verwitterten
Steinen um Stationen eines Kreuzweges (14 Stationen) handelte, sind nicht nachzuweisen, unbegründet und unwahrscheinlich.
Ansonsten findet und fand man im Dorf und in der Dorfflur kaum ein Zeichen an früh-christliches Geschehen oder gar einen heidnischen Kult.
Für die Glaubensgeschichte sollte aber noch auf die „Holzbude bei Wagnersch“ hingewiesen werden. Zwischen den Anwesen Daum, genannt „Wagnersch“, Reichenbach 48, jetzt Hauptstraße 9, und
„Schmalzer“, früher Haus-Nr. 68, jetzt Hauptstraße 7, stand eine Holzbude mit einer Marienstatue. Später wrude die Bude vom Konsumverein als Kohlenlager verwendet. Zuvor verabschiedeten sich die
Reichenbacher Wallfahrer vor ihrem Auszug nach Marienweiher und nach ihrer Rückkehr von der offenen Hütte, um zu beten und zu danken.
Der "Heldenfriedhof" im Areal der "Neubauerskapelle"